Frustrationen vermeiden
Ausverkauft?! Hinter den Kulissen des Online-Ticketvorverkaufs
© Wendy Wei via Pexels
Online-Ticketing ermöglicht es Musikfans, innerhalb nur weniger Minuten Tickets für ein Event zu kaufen. Leider birgt der Onlineverkauf auch die Möglichkeit, dass ein Event – zumindest scheinbar – in Sekundenschnelle ausverkauft ist und eine große Anzahl Fans frustriert zurückbleiben.
Häufig wird solch ein innerhalb von Sekunden beendeter Vorverkauf als Indiz für die Popularität eines Events oder auch eines Stars gesehen: Je schneller die Tickets verkauft sind, so die Annahme, desto populärer der Star.
Der Teufel im Detail
Der Ticketing-Dienstleister Queue-it stellt in einem Bericht fest, dass es prinzipiell unmöglich ist, ein Event in dieser Geschwindigkeit auszuverkaufen und dass in vielen Fällen die Frustration der Fans vermieden werden könnte.
Um dies nachzuvollziehen, ist es nötig, den Prozess des Ticket(vor)verkaufs zu beleuchten. Legt eine Kundin bzw. ein Kunde ein oder mehrere Tickets in seinen Warenkorb, werden diese für einen gewissen Zeitraum für andere Kunden gesperrt und erst nach Ablauf der Zeit wieder freigegeben.
Die Dauer der Sperrung wird durch die sogenannte "Timeout"-Zeit des Warenkorbs angegeben, die wiederum vom Ticketing-Anbieter festgelegt wird und alles zwischen wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde oder mehr betragen kann.
Time-Out
Während der "Timeout"-Zeit können Kundinnen und Kunden etwa die gewünschte Preisklasse wählen oder Liefer- bzw. Zahlungsdaten hinterlegen. Doch aus eigener Erfahrung dürfte klar sein, dass längst nicht alle dieser Käufe auch abgeschlossen werden.
Insbesondere direkt nach dem VVK-Start lassen viele Kundinnen und Kunden die Tickets in ihrem Einkaufswagen, ohne sie zu kaufen – etwa, weil die von ihnen gewünschten Sitze zu teuer sind oder Freunde bereits bessere Plätze mitgekauft haben.
Ausverkauft?
Dies bedeutet wiederum, dass Musikfans, die erst einige Minuten nach dem VVK-Start Tickets kaufen wollen, u.U. damit konfrontiert werden, dass das Event ausverkauft ist – wenngleich eigentlich nur alle Tickets für den "Timeout"-Zeitraum reserviert sind und erst nach und nach wieder freigegeben werden.
Solch eine "Ausverkauft"-Meldung nach nur wenigen Minuten (oder sogar Sekunden) frustriert viele Musikfans ungemein. Umso mehr, da anderen Käuferinnen und Käufer, die nicht nur wenige Minuten nach VVK-Start, sondern erst nach dem ersten "Timeout" Karten kaufen wollen, diese wieder als verfügbar angezeigt werden.
Tür und Tor für Betrüger
Kompliziert wird dieser Prozess weiterhin durch betrügerische Zweithändler – meist Plattformen, die automatisiert Ticketkontingente mittels Bots aufkaufen, um diese zu massiv erhöhten Preisen weiterzuverkaufen.
Daneben gibt es auch Dienste, die mittels Bots anfangs gar keine Kontingente aufkaufen, sondern diese lediglich automatisiert für den "Timeout"-Zeitraum reservieren. Erst, wenn potentielle Ticketkäuferinnen und -käufer nach der ersten "Ausverkauft"-Meldung bereits nach Tickets auf dem Zweitmarkt suchen, werden diese reservierten Karten bestellt und sofort massiv überteuert weiterverkauft.
Klare Kommunikation
Sensationsheischende Berichte dazu, welche Tour welches Acts nach nur 3 Sekunden ausverkauft war, sind also nichts weiter als eine nur zur Hälfte den Tatsachen entsprechende Promotion – die noch dazu meistens dazu führt, Fans zu frustrieren und in die Arme von wenig vertraulichen Zweitmarkt-Plattformen zu treiben.
Um die Erfahrung für Kundinnen und Kunden zu verbessern, empfiehlt Queue-it u.a., die Kommunikation hinsichtlich des Vorverkaufs so klar wie möglich zu gestalten. Das betrifft nicht nur die Ankündigung, wann dieser stattfindet, sondern auch, dass keinesfalls voreilige "Ausverkauft"-Meldungen geschaltet werden. Stattdessen empfiehlt sich etwa ein Hinweis darauf, dass lediglich alle Tickets reserviert sind.
Technische Maßnahmen
Weiterhin sollten technische Sperren installiert werden, die automatisierte Ticketkäufe durch Bots so weit wie möglich unterbinden. Der Warenkorb-"Timeout" sollte mit Bedacht gewählt werden und weder zu kurz noch zu lang sein – Queue-it empfiehlt einen Zeitraum zwischen fünf und zehn Minuten.
Außerdem gibt es die Möglichkeit eines zweiten Timeouts, der sich nicht auf den gesamten Bestellprozess, sondern auf die Einzelschritte (Platzwahl, Eingabe der persönlichen Daten etc.) beziehen. Wenn Kundinnen bzw. Kunden hier bereits den Bestellprozess abbrechen, können deren reservierte TIckets noch vor Ablauf des längeren Timers freigegeben werden.
Wenig überraschend schlägt das Unternehmen schlussendlich die Installation eines "virtuellen Wartezimmers" vor – das Produkt, das Queue-it vertreibt. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, die Anzahl der Käuferinnen und Käufer zu beschränken, um den Verkaufsprozess wiederum annähernd linear gestalten zu können.
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