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Bedeutsamer Schritt

Mindesthonorare für Künstler seit 1. Juli 2024: Das sind die Empfehlungen zur Höhe

von Backstage PRO
veröffentlicht am 12.07.2024

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Mindesthonorare für Künstler seit 1. Juli 2024: Das sind die Empfehlungen zur Höhe

© Vishnu R

Ab dem 1. Juli 2024 müssen Künstler ein festgelegte Honoraruntergrenze erhalten, wenn ein Projekt oder eine Institution zumindest zu 50 Prozent von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert wird. Nun hat der Deutsche Kulturrat Empfehlungen für verschiedene Tätigkeitsfelder, darunter auch Musik.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth begründete die Entscheidung zur Einführung mit der prekären finanziellen Lage vieler freischaffender Künstler.

Um eine Mindestvergütung sicherzustellen hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) mithilfe einer Honorarmatrix Tätigkeitsfelder definiert, für die Honoraruntergenzen gelten.

Dabei legt die BKM keine festen Beträge für die Basishonorare fest, sondern empfiehlt, sich an den Richtlinien der relevanten Fachverbände oder Gewerkschaften zu orientieren. 

Festlegung der Honorarempfehlung 

Die Honorarempfehlungen der Fach- und Berufsverbände sowie Gewerkschaften basieren laut Pressemitteilung auf üblichen Tätigkeiten der Mitglieder und wurden von der Kommission "Faire Vergütung" erstellt. Diese Empfehlungen sind nicht verpflichtend.

Es gibt spezifische Empfehlungen für Autoren, bildende Künstler, Musiker und darstellende Künstler, die jeweils von verschiedenen Verbänden herausgegeben werden. Die Liste aller Empfehlungen gibt es hier.

Zudem existieren spartenübergreifende Empfehlungen, wie das Modell von ver.di, das auf dem TVöD-Tarifvertrag basiert. Auch für den Fachbereich Design und für Ausstellungen oder ähnliches sind Honorarempfehlung vorhanden, obwohl diese nicht Teil der Matrix sind. 

Die Pläne des Deutschen Musikrats

Eine der Empfehlungen stammt vom Deutschen Musikrat und bezieht sich auf alle Musikgenres. Der Musikrat schlägt ausgehend von einem Jahreseinkommen, das neben der Qualifizierung und Leistung selbstständiger Musiker auch deren Abreitspraxis abbildet, perspektivisch einen Tagessatz von 675 Euro als Honoraruntergrenze vor, der im Jahr 2025 erreicht werden soll. 

Da die Diskrepanz zu dem aktuellen Honorarniveau sehr groß ist, empfiehlt der Musikrat den Tagessatz für selbständige Musiker schrittweise zu erhöhen, um die Förderprogramme nicht zu überlasten. Es ist schon jetzt abzusehen, dass dieses Niveau im nächsten Jahr noch bei weitem nicht erreicht wird.

Der Empfehlung eines Tagessatzes von 675 Euro hat sich auch die deutsche Musik- und Orchestervereinigung unisono angeschlossen. Außerdem setzt sich Unisono dafür ein, dass auch Aushilfen in Berufsorchestern und -chören angemessen honoriert werden, da sie als Verstärkung bei größeren Projekte unverzichtbar sind. 

Als Untergrenze definiert unisono einen Tagessatz von 135 Euro für Proben und 265 Euro für Aufführungen. Sonderleistungen wie der Transport großer Instrumente, die Bewältigung großer Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort, die Aufführung langer und schwieriger Werke und weiteres.

Stufenweise Anhebung der Tagessätze 

Die Empfehlung von Freo, dem Zusammenschluss des Freien Ensemble und Orchester, unterstützt das Rechenmodell des Deutschen Musikrats, da es die spezifischen Aspekte selbstständiger Arbeit transparent darstelle. 

Jedoch warnt der Verband vor einer "überstürzten Umsetzung, die ein Mitwachsen der Strukturen verunmöglicht und am Ende zu einer Überforderung des Systems und einem unwiderruflichen Wegbrechen existentieller Strukturen in der freien Musikszene führt."

Stattdessen schlägt der Verband vor, die Honorargrenze für 2024 bei einem Tagessatz von 270 Euro zu etablieren und dann in Schritten von 20 Prozent auf den Tagessatz von 675 Euro zu erhöhen. 

Empfehlungen für Jazz

Eine faire Bezahlung für Jazzmusiker wäre der Deutschen Jazzunion zufolge ein Nettomindesthonorar von 300 Euro pro Person für Konzerte in öffentlich geförderten Spielstätten und Konzertreihen, sowie 600 Euro pro Person bei öffentlich geförderten Festivals. 

Umsatzsteuern, Reise- und Verpflegungskosten sowie GEMA- und KSK-Abgaben sollen von Veranstaltenden und Auftraggebenden übernommen werden. Weiterhin sollten Probetage mit mindestens 200 Euro pro Personen vergütet werden und Auftragskompositionen mit mindestens 150 Euro pro Spielminute. 

Dozententätigkeiten in bestimmten Institutionen sollten mindestens 400 Euro pro Tag einbringen und bei Konzerten mit Rundfunkmitschnitt sollte der Verkauf von Senderechten separat verhandelt und mit mindestens 1.500 Euro pro Konzert vergütet werden. Lehraufträge an Musikhochschulen und Musikschulen sollten sich am TvÖD orientieren.

Empfehlungen des BDKV

Der BDKV (der Verband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft) und die LiveKomm empfiehlen anstelle einer festgelegten Honoraruntergrenze eine individuell bestimmtes Honorar für: 

  • Veranstaltungen mit unter 200 verkauften Eintrittskarten 

  • Showcase-Konzerte (Präsentation von Newcomern durch Label, Management, Exportbüro, Veranstalter etc.) 

  • Support Acts (z.B. Vorgruppe beim Konzert einer größeren Band) 

  • Konzerte unter 60 Minuten Dauer 

  • Konzerte mit einem Kartenpreis von bis 10 EUR (netto), auf Spendenbasis oder ohne Eintrittspreis

Beide Verbände schlagen eine gestaffelte Empfehlung für Honoraruntergrenzen vor, die von der Anzahl der verkauften Eintrittskarten pro Konzert abhängig sein soll. 

Bis zu 500 verkauften Eintrittskarten wird ein Honorar von 250 Euro pro Person und Tag empfohlen, bis zu 1.000 verkauften Eintrittskarten 330 Euro pro Person und Tag und ab 1.000 verkauften Eintrittskarten eine stufenweise Anpassung gemäß der Empfehlung des Deutschen Musikrats (derzeit 540 Euro).

Im Verwendungsnachweis ist zu erläutern, aus welchen Gründen die jeweiligen Honorarempfehlungen der verschiedenen Verbände herangezogen wurden. 

Nur für professionelle Künstler

Die festgelegte Honoraruntergrenzen sollen allerdings ausschließlich für professionelle Künstlerinnen  und Künstler gelten. Amateurleistungen, auch wenn sie auf professionellem Niveau erbracht werden, sowie Nachwuchsförderung haben keinen Anspruch auf die Einhaltung der Honoraruntergrenzen.

Der Kulturrat definiert professionelle Künstler durch verschiedene Merkmale. Dazu zählen:

  • Einschlägige Berufs- oder Hochschulausbildung im künstlerischen oder kreativen Bereich

  • Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse

  • Dokument des Finanzamtes mit Steuernummer

  • Mitgliedschaft in einem einschlägigen Fach- oder Berufsverband bzw. einer Gewerkschaft

  • Wahrnehmungsvertrag mit einer Verwertungsgesellschaft/Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft

  • Vermittlung über eine Agentur

  • Nachweislich entsprechende Tätigkeitspraxis

Unterschiedliche Vorstellungen der Länder

Die Länder hatten zuvor ausdrücklich den Wunsch geäußert, dass die Festlegung und Verhandlung von Grundhonoraren in den jeweiligen Ländern stattfinden sollte, um den lokalen Gegebenheiten gerecht zu werden. 

Nachdem die Kultusminister der Länder durch die Zeitung Politik und Kultur des Deutschen Kulturrates zur Umsetzung der Maßnahmen befragt wurden, zeigte sich, dass die Länder recht unterschiedliche Schwerpunkte setzen. 

Während sich einige auf Bildende Kunst konzentrieren, haben andere Bundesländer ihr Hauptaugenmerk auf Darstellender Kunst oder Musik. Genaueres lässt sich den Antworten der Länder gegenüber dem Kulturrat entnehmen.

Der Ball liegt bei den Ländern

Insgesamt scheint Einigkeit über die Umsetzung zu herrschen, jedoch wird auch auf die angespannte Haushaltslage hingewiesen, von der die Honorare abhängig sind.

Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, fordert die Länder und Kommunen zum Handeln auf:

"Bereits 2015 hat der Deutsche Kulturrat die öffentliche Hand erstmals aufgefordert, selbstständige Künstlerinnen und Künstler adäquat zu vergüten. Seither haben wir uns immer wieder mit der wirtschaftlichen Lage von Künstlerinnen und Künstlern beschäftigt. Dass der Bund nun verpflichtende Honoraruntergrenzen für Projekte und Institutionen, die durch durch das Amt der Kulturstaatsministerin gefördert werden, einführt, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer angemessenen Entlohnung der Kreativen. Nun müssen die Länder und Kommunen flächendeckend nachziehen."

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