"Musikwirtschaft in Deutschland" – Erkenntnisse und Schlussfolgerungen
Studie: Die Macht der Major-Labels ist trotz des digitalen Wandels ungebrochen
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Tapes und Vinyl. Bald nur noch fuer Sammler?. © Mikko Tarvainen (CC BY-ND 2.0) flickr.com; die Grafiken/Charts innerhalb des Artikels entstammen der PDF Version der Studie
In dieser Artikelreihe zur großen Musikwirtschaftsstudie haben wir bereits folgende Artikel veröffentlicht:
- Überblick: Starke Gesamtbranche, Probleme in Teilbereichen (inkl. Link zum PDF der Gesamtstudie)
- Die meisten Musiker brauchen Zusatzeinkommen, um über die Runden zu kommen
"Recorded Music": Zweitgrößter Bereich der Musikwirtschaft
Zum Bereich Recorded Music zählen in der Studie Tonträgerhersteller, Musikstudios und der spezialisierte Einzelhandel.
Zu letztgenanntem steht nicht viel in der Studie, was aber nicht sonderlich verwunderlich ist: Allzu viele "richtige" Musikläden gibt es ja nicht mehr. Über diese werden nur noch ungefähr 1% der Tonträger abgesetzt. Der Rest geht über die großen Ketten (Saturn, Mediamarkt etc.) oder über Online-Plattformen (Amazon, iTunes etc.) in digitaler und physischer Form.
Anteile der Teilbranchen (Berechnungen der FSU Jena)
Die Sparte der Musikaufnahmen ist der zweitgrößte Bereich der Musikwirtschaft – siehe die nebenstehende Grafik – und nur der Bereich "Live Music" ist größer.
Schon hieran ist zu erkennen, dass die Verwertung von aufgenommener Musik auch in Zeiten von digitaler Musik noch immer einen der größten wirtschaftsrelevanten Bereiche der Musikindustrie darstellt.
Übrigens erfahren wir aus der Studie, dass es für den Tonträgerverkauf wieder Bergauf geht:
- Seit Ende der 90er Jahre hatten sich die Umsätze aus Tonträgern halbiert.
- Seit 2012 sind hier allerdings wieder Zuwächse zu verzeichnen.
- 2014 wurden 1,1 Milliarden Euro für physische Tonträger ausgegeben.
- Für digitale Musik wurden 0,4 Milliarden ausgeben.
Der größte Teil der Unternehmen erwartet auch für das laufende Jahr weiter eine Umsatz- und Gewinnzunahme.
Zumeist kleine und mittelständige Unternehmen
In Deutschland zählen knapp 2000 Unternehmen zum Bereich „Recorded Music“. Die meisten davon sind allerdings fast ausschließlich kleine und mittelgroße Unternehmen, oftmals sind diese Unternehmen auch nur Liebhabereien, die im Nebenerwerb geführt werden.
Gerade bei den Labels wird dieses Ungleichgewicht besonders deutlich:
- Laut der Studie sind 375 Labels in der Umsatzsteuerstatistik erfasst.
- Hier kommen allerdings nur die Labels rein, die über 17.500 Euro im Jahr Umsatz machen.
- Von diesen 375 sind allein die drei großen Labels (Universal Music Group, Warner Music Group, Sony Music Entertainment) für über 70 Prozent des Gesamtumsatzes verantwortlich.
Die Macht der Major-Labels ist also nach wie vor ungebrochen und auch die digitale Revolution hat daran nichts geändert.
Die digitale Herausforderung
Auch wenn der digitale Markt schon lang keine Randerscheinung mehr ist, bleibt dieses Segment der Branche spannend. Leider geht die Studie auf den digitalen Bereich nicht im Detail ein, doch ist davon auszugehen, dass gerade hier noch das große Potential der Tonträger-Hersteller liegt.
Eigentlich ist der Begriff Tonträger-Hersteller hier auch gar nicht mehr angebracht, da bei digitalen Musikdateien nicht mehr wirklich von einem Tonträger zu sprechen ist. Klassische CD-Presswerke werden also zumindest was Musik angeht weiter einen Rückgang zu verzeichnen haben.
Da jedoch das Musik-Streaming in den letzten Jahren einen massiven Wachstum erlebt hat, wird dieses Segment der digitalen Musikverwertung auch in der näheren Zukunft für einen wachsenden Markt sorgen. Sogar der Lebensmittel Discounter Aldi hat mit Aldi Life das Musikstreaming als schnell wachsenden Markt entdeckt und drückt sich aktuell mit Kampfpreisen zwischen die Konkurrenz um Apple und Spotify.
Die Verteilung der Kuchenstücke
Gesamtkosten der Tontraegerhersteller (Label)
So richtig schlecht scheint es der Tonträger-Industrie also nicht mehr zu gehen.
Die schlimmen Jahre sind vorbei und mit neuen Vermarktungsmodellen, aber auch strukturellen und strategischen Anpassungen in den Unternehmen selbst, gehen die Tonträger-Hersteller wieder auf Kurs.
Ein Blick in die Kostenstruktur der Labels verrät aber auch ein altbekanntes Manko der Tonträger Industrie. Die Kreativen bekommen nach wie vor nur einen kleinen Stück des Kuchens ab:
Nur 12,1 % der Kosten von Labels entstehen durch die ausgezahlten Honorare an ausübende Künstler. Die eigenen Mitarbeiter der Labels bekommen mit 17,6% anteilig etwas mehr.
Am Ende drängen sich also vor allem wieder Fragen nach der Verteilungsgereichtigkeit auf: Wenn die schlechten Zeiten der Tonträger-Hersteller vorbei sind, wie können alle Beteiligten am künftigen Wachstum fair teil haben? Hierum drehen sich nicht zuletzt die meisten Diskussionen um das Thema Streaming. Habt ihr darauf eine Antwort?
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