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Im Kreuzfeuer

Live Nation verteidigt sich gegen Kartellklage des US-Justizministeriums - und erntet Kritik der Konkurrenz

Spezial/Schwerpunkt von Backstage PRO
veröffentlicht am 18.06.2024

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Live Nation verteidigt sich gegen Kartellklage des US-Justizministeriums - und erntet Kritik der Konkurrenz

© Vishnu R. Nair

Nachdem das US-Justizministerium die lang erwartete Kartellklage gegen Live Nation/Ticketmaster eingereicht hat, meldet sich nun Live Nation mit einem langen Statement zu Wort und weist die Vorwürfe zurück. Gleichzeitig meldet sich auch die Konkurrenz zu Wort und kritisiert die Monpolstellung von Live Nation.

Das Live Nation-Statement stammt von Dan Wells, leitender Vize-Präsident für Unternehmens- und  Regulierungsangelegenheiten bei Live Nation. Wells hat sich zuvor schon über Ticketpreise geäußert und die Marktmacht von Live Nation in diesem Zusammenhang heruntergespielt.

In diese Richtung geht auch das neue Statement. So erklärt Wells, das US-Justizministerium hätte "eine Klage eingereicht, die der Öffentlichkeit vorgaukelt, dass die Ticketpreise sinken werden, wenn etwas gegen Live Nation und Ticketmaster unternommen wird. Das Justizministerium hilft den Verbrauchern nicht bei ihren tatsächlichen Problemen".

Live Nation bestreitet Monopolstellung

Das Statement von Live Nation/Ticketmaster bezeichnet den Vorwurf der Monopolstellung als "absurd". "Das definierende Merkmal eines Monopolisten sind Monopolgewinne, die sich aus einer Monopolpreisgestaltung ergeben. Live Nation passt in keiner Weise in dieses Profil", erklärt Dan Wells. Die Servicegebühren von Live Nation seien niedriger als bei vergleichbaren Unternehmen.

Das Statement fährt fort: "Jedes Jahr führt der Wettbewerb in der Branche dazu, dass Live Nation sowohl bei der Konzertpromotion als auch beim Ticketing niedrigere Einnahmesätze erzielt. Das Unternehmen ist profitabel und wächst, weil es zum Wachstum der Branche beiträgt, nicht weil es Marktmacht hat". 

Das Justizministerium verschließe jedoch die Augen vor diesen Tatsachen. Live Nation bezeichnet sich als ein "Opfer dieser Regierung", die das Kartellrecht nicht zu verstehen scheine. Die Obama-Regierung habe das anders gesehen und die Fusion von Live Nation und Ticketmaster ausdrücklich genehmigt.

Beziehung zur Oak Group

Live Nation bestätigt zudem die enge Beziehung zur Oak View Group, bestreitet jedoch, dass OVG ein ernsthafter potenzieller Konkurrent von Live Nation im Bereich der Konzertveranstaltung sei: "OVG besitzt und verwaltet lediglich Veranstaltungsorte", so Live Nation.

Laut Justizministerium verschaffe sich Ticketmaster einen unfairen Vorteil bei der Buchung unabhängiger Veranstaltungsorte, die von OVG verwaltet werden. Ticketmaster schaffe finanzielle Anreize für OVG, damit das Unternehmen für Ticketmaster werbe. "Daran ist jedoch nichts auch nur im Entferntesten wettbewerbswidrig", so Dan Wells.

Übliche Vorgehensweise?

Live Nation weist auch den Vorwurf zurück, dass die exklusiven Verträge zwischen Veranstaltungsorten und Ticketmaster wettbewerbswidrig seien. Solche Verträge seien seit Jahrzehnten im Konzertgeschäft üblich. 

Ebenso sei es nicht wettbewerbswidrig, wenn Live Nation vor allem Konzerte in Spielstätten bucht, die das Unternehmen selbst besitzt. Zahllose Veranstalter buchten ausschließlich Spielstätten, die sie besitzen oder betreiben. 

Das Problem der Rechtfertigung

Dan Wells geht in seinem Statement aber nicht darauf ein, dass eigentlich übliche Vorgehensweisen sehr wohl dann wettbewerbswidrig werden können, wenn ein Unternehmen über so viel Marktmacht verfügt, dass Spielstätten, Künstler und Verbraucher gewzungen sind, mit diesem zusammenzuarbeiten bzw. dessen Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

Auf diese Tatsache weist Jay Marciano, CEO of AEG Presents, einem Konkurrenten von Live Nation, hin. Nach Ansicht von AEG besitzt Ticketmaster sehr wohl "ein Monopol auf dem US-amerikanischen Ticketmarkt". Ticketmaster benutze diese Monopolmacht, um Veranstaltungen des Mutterkonzerns Live Nation zu subventionieren. Dadurch würden andere Unternehmen daran gehindert, in Konkurrenz zu Live Nation zu treten.

"Eckpfeiler des Monopols von Live Nation" seien exklusive Verträge von Ticketmaster "mit der großen Mehrheit der großen Veranstaltungsorte in den USA." Nach Ansicht von AEG verhindern diese Verträge Wettbewerb und Innovation "und führen zu höheren Ticketgebühren". Dadurch werde Künstlern die Möglichkeit genommen, "selbst zu entscheiden, wer ihre Shows verkauft und wie viel ihre Fans zahlen sollen."

Schon seit Monaten ist bekannt, dass Live Nation seine Doppelrolle als Veranstalter und Inhaber von Spielstätten und Veranstaltungsorten nutzt, um seine Gewinne zu maximieren. In Kombination mit der großen Marktmacht von Live Nation macht sich das Unternehmen angreifbar, vor allem wenn das Justizministerium nachweisen kann, dass Live Nation die Marktmacht benutzt, um Konkurrenten (auf welchen Wegen auch immer) vom Eintritt in den Markt abzuhalten.

Live Nation für den besseren Deal?

Unter diesem Aspekt wirkt auch das abschließende Statement von Dan Wells durchaus problematisch.

"Wir haben im Kongress und im Justizministerium sehr deutlich gemacht, dass wir echte Reformen befürworten, die den Fans helfen würden, Tickets zu dem Preis zu bekommen, den die Künstler*innen für sie festgelegt haben".

"Entscheidend ist, dass Live Nation den Fans, Künstler*innen, Veranstaltungsorten und dem restlichen Ökosystem bessere Preise und Dienstleistungen anbieten kann und dies auch getan hat".

Welche Verantwortung trägt Live Nation?

Da die Verbraucher in den USA aber nur die aktuelle Situation mit der dominanten Stellung von Live Nation kennen, weiß niemand – auch nicht Dan Wells – ob wirklich korrekt ist, dass Live Nation "bessere Preise und Dienstleistungen" bietet. Es handelt sich um eine bloße Behauptung, die man auch mit guten Gründen bestreiten kann.

Im Gegenteil, Wells untergräbt sein Argument eigentlich mit seiner vorherigen Aussage, dass Live Nation "echte Reformen" befürworte, um Fans zu unterstützen, Tickets für den Preis zu erhalten, "den Künstler*innen festgelegt haben".

Darunter versteht Live Nation bekanntlich vor allem ein schärferes Vorgehen gegen den Ticketzweitmarkt. Aber natürlich stellt sich auch die Frage, welchen Anteil der Marktführer Live Nation daran hat, dass diese Reformen überhaupt nötig sind. Auf diese Frage geben weder Dan Wells noch Live Nation bislang eine Antwort.

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