Tricks mit Rabatten für Spielstätten
Gewinne auf Kosten von Künstlern und Verbrauchern: Bericht erhebt schwere Vorwürfe gegen Live Nation
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© Teddy Yang via pexels.com
Die Monopolstellung von Live Nation in den USA hat die US-Politik bis in die höchsten Ebenen alarmiert. Das Unternehmen reagierte mit zaghaftem Entgegenkommen, vor allem aber mit dem Versuch, eventuelle Reformen auszubremsen und zu verwässern.
Live Nation startet Charmeoffensive
Gleichzeitig startete Live Nation eine Charme-Initiative, beispielsweise durch die gemeinsam mit Willie Nelson ins Leben gerufene "On The Road Again"-Kampagne, die beispielsweise höhere Löhne für Angestellte in Live Nation-Spielstätten sowie Reisegeld für Bands sowie andere Vergünstigungen vorsah.
Mit Live Nation-Spielstätten sind Hallen und Clubs gemeint, die sich im Besitz von Live Nation befinden. Die offiziellen Mitteillungen hinsichtlich der On The Road Again-Kampagne machen daraus kein Geheimnis.
Die Sache mit den Spielstätten
Das ist in folgendem Zusammenhang interessant. Als Teil der Strategie, sich gegen die Kritik aus Politik, Gesellschaft und Musikindustrie zu wehren, veröffentlichte Dan Wells, Live Nations leitender Vize-Präsident für Unternehmens- und Regulierungsangelegenheiten, einen langen Text mit dem Titel "Die Wahrheit über Ticketpreise", in dem er auf diesen Punkt überhaupt nicht einging.
Live Nation kooperiert aber mit einem Großteil der Spielstätten in den USA. Die Exklusivverträge, die Live Nation mit diesen Spielstätten abgeschlossen hat, verpflichten die Spielstätten beispielsweise den Vorverkauf ausschließlich über Ticketmaster abzuwickeln. Aufgrund der Marktmacht von Live Nation können sich die Spielstätten kaum gegen solche Kooperationen wehren.
Hinzu kommen die zahlreichen Spielstätten, die Live Nation direkt besitzt. Während unabhängige Spielstätten unter der Marktmacht von Live Nation leiden, kann der Entertainment-Gigant die sich in seinem Besitz befindlichen Spielstätten auch benutzen, um seine Gewinne zu optimieren.
Ein brisanter Bericht
Das sind jedenfalls Vorwürfe, die sich aus einem bisher unveröffentlichten Bericht [Link zum PDF] über die Geschäftspraktiken von Live Nation ergeben, die Bill Pascrell, ein Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses aus New Jersey veröffentlicht hat.
Ursprünglich war der Bericht Teil einer Klage von Juice Entertainment aus dem Jahr 2019. Das Unternehmen verklagte Live Nation mit der Behauptung, mehrere wettbewerbswidrige Praktiken hätten dazu geführt, dass ihr Vertrag als Veranstalter der New Jersey State Fair gekündigt wurde.
Der Bericht liegt durch Pascrell nun einem Unterausschusses des US-Senats vor, der aktuell die Geschäftspraktiken von Live Nation untersucht.
Analyse der Geschäftspraktiken
Juice Entertainment hatte mit der Klage ein Gutachten von Dr. Richard Barnet eingereicht, das die von Live Nation als vertrauliche Informationen über Vertragsstrukturen und offenbar wettbewerbswidrigen Geschäftspraktiken analysierte.
Laut Pascrell stellt das Gutachten dar, wie Live Nation/Ticketmaster den fairen Wettbewerb innerhalb der Branche auf Kosten der Fans und Artists systematisch sabotiert. Der Bericht basiert auf Finanzdaten, Schriftverkehr und Unterlagen, die Live Nation als Teil des Rechtsstreits offenlegen musste.
Schwerwiegende Vorwürfe
Der Bericht wirft Live Nation vor, Ausgaben wie Mieten für Spielstätte direkt mit den Anbietern auszuhandeln und dabei finanzielle Vorteile in Form von "Rabatten" zu erhalten. Diese Abkommen wurden jedoch weder den Artists, noch ihren Agent*innen oder unabhängigen Co-Promotern mitgeteilt und kamen somit nur Live Nation zugute.
Der Bericht beschuldigt Live Nation zudem, seinen Gewinn herunterzuspielen bzw. zu verschleiern. Während Live Nation gegenüber Artists und Agenten erklärt, Shows hätten nur geringe Einnahmen erzielt oder sogar Verlust geschrieben, geht aus den internen Buchhaltungsunterlagen durch die Berücksichtigung der "Rabatte" jedoch ein Gewinn hervor.
Demnach könnten die Buchhaltungspraktiken von Live Nation Künstlern und Promotern finanziellen Schaden zugefügt haben und für die steigenden Kosten für Eintrittskarten für Live-Veranstaltungen verantwortlich sein.
Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass durch die Geschäftspraktiken des Unternehmens, hauptsächlich Live Nation sowie die sich in ihrem Besitz befindlichen Spielstätten profitieren.
Bitte um Reform
Bill Pascrell beendet sein Schreiben an den Unterausschuss mit der Bitte, den Bericht und das Gutachten im Rahmen der Untersuchung zu prüfen und zu verwenden. Darüber hinaus sagt er:
"Unsere Bundespolitiker*innen müssen zusammenarbeiten, um diesen kaputten Markt für Fans sowie Künstler, Veranstaltungsorte, Veranstalter und andere in der gesamten Live-Event-Branche zu reformieren und Live Nation/Ticketmaster endlich zur Verantwortung zu ziehen."
Aber wer bestimmt die Preise?
In seinem ausführlichen Statement über die Entstehung der Ticketpreise geht Dan Wells logischerweise auf diese Geschäftspraktiken von Live Nation nicht ein.
Laut Wells bestimmen in erster Linie Artists selbst die Höhe ihrer Ticketpreise. Dies geschehe mit Hinblick auf Faktoren wie Venue-Kapazität oder Popularität. Die wichtigste Rolle spielten aber Angebot und Nachfrage. Bei hochkarätigen Konzerten übersteige oft die Nachfrage das Angebot und führe somit zu hohen Preisen.
Weltstars wie Taylor Swift, Ed Sheeran oder Beyoncé könnten problemlos mehr Konzerte ausverkaufen, als sie tatsächlich spielen können. Vor allem ihre Konzerte hätten das Potenzial, durch aufwendige Produktion und Inszenierungen zu Spektakeln zu werden die Nachfrage dadurch zu steigern.
Live Nation berät – und kassiert
Wells erklärt weiterhin, nicht Live Nation würde die Ticketreise festlegen. Stattdessen unterstütze das Unternehmen Künstler und ihre Vertretern dabei, Preise für Konzertkarten zu gestalten. Dementsprechend würde Live Nation Künstler*innen beraten und Preisangebote unter Berücksichtigung eines maximalen Ticketverkaufs machen.
"Der Anreiz des Veranstalters besteht darin, den optimalen Punkt zu finden, der den Ticketeinnahmen und der Wahrscheinlichkeit eines Ausverkaufs gerecht wird", sagt Dan Wells zu der Thematik.
Die Aussagen in neuem Licht
Dass Live Nation nicht die Preise einseitig festlegt, ist durchaus glaubhaft. Wenn der oben zitierte Bericht zutrifft, wissen Künstler und ihre Vertreter aber nicht, dass für die Anmietung von Spielstätten geringere Kosten anfallen, als Live Nation ihnen gegenüber kommuniziert.
Da Live Nation nicht nur Konzerte veranstaltet und Karten verkauft, sondern auch zahlreiche Spielstätten besitzt, ergeben sich grundsätzlich positive Synergien, die Live Nation aber nicht benutzt, um sie an Künstler oder die ticketkaufende Öffentlichkeit weiterzugeben, sondern um seine Gewinne zu steigern.
Sowohl in seinen Geschäftsberichten wie im Statement von Dan Wells erklärt Live Nation, dass das Veranstalten von Konzerten kein besonders lukratives Geschäft sei. So habe der Gewinn aus dem Konzertveranstaltungsgeschäft im Jahr 2023 weniger als 2 Prozent des Umsatzes betragen.
Dan Wells erklärt dazu: "Was wir sagen können, ist, dass Promotion kein besonders profitables Geschäft ist, auch nicht für Live Nation." Diese Aussage kann man angesichts der neu zutagegekommenen Umstände mit guten Gründen in Frage stellen.
Profit durch Servicegebühren
Auch die zusätzlich zu den Ticketkosten anfallenden Servicegebühren erscheinen in neuem Licht. Servicegebühren sind laut Dan Wells das Ergebnis von Verträgen zwischen Veranstaltungsorten und Verkaufsunternehmen und nicht einheitlich geregelt.
Veranstaltungsorte und Ticketing-Unternehmen schlagen auf den ursprünglichen Wert eines Tickets Gebühren auf, da sie sonst nur gering an den Einnahmen des Ticketverkaufs profitieren, so Wells. Servicegebühren, so Wells, würden nicht von Live Nation, sondern von den Veranstaltungsorten festgelegt.
Ticketmaster erhält für die Dienstleistungen an die Veranstaltungsorte zwischen 5 und 7 Prozent der erhobenen Servicegebühr, wobei der Großteil an den Veranstaltungsort fließt, so Wells. Was aber, wenn Veranstalter, Tickethändler und Spielstätte Teil desselben Unternehmens sind? In diesem Fall handelt es sich lediglich um die Frage, wie man die Einnahmen verbucht.
Die neuen Entwicklungen zeigen ein weiteres Mal, wie schädlich das Monopol von Live Nation in den USA für Künstler und Verbraucher gleichermaßen ist.
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