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Unabhängigkeit im digitalen Zeitalter

Bandcamp, SoundCloud, Patreon: So veröffentlicht ihr eure Musik ohne Spotify & Co.

Tipps für Musiker und Bands von Julian Schmauch
veröffentlicht am 11.06.2024

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Bandcamp, SoundCloud, Patreon: So veröffentlicht ihr eure Musik ohne Spotify & Co.

© RODNAE Productions via pexels.com

Digital Service Provider (DSP) wie Spotify oder Apple Music sind nicht eben beliebt. Kaum Einkünfte, willkürliche Sperrungen von Songs, stark variierende Qualität bei den Digitalvertrieben wie Distrokid oder Tunecore. Welche Möglichkeiten gibt es, Musik abseits dieser Services zu veröffentlichen und trotzdem ein möglichst breites Publikum zu erreichen?

Kaum eine Kunstform ist in den letzten zwei Jahrzehnten so stark entwertet worden wie Musikaufnahmen. Während die Musikindustrie Ende der 1990er zur Hochzeit der CD einen Umsatzrekord nach dem anderen aufgestellte und es sogar teilweise sehr sperrig klingenden Indie-Bands erlaubte, nicht konstant touren zu müssen und von Musikverkäufen zu leben, sind wir heute an einem Punkt angekommen, der vielen neuen Bands und Künstler*innen Sorgen bereitet. 

Von Streaming leben zu können, ist selbst für große Acts und Bands kaum möglich. Konstant zu touren ist erstens gesundheitlich nicht eben förderlich und zweitens bei den rasant gestiegenen Produktionskosten auch nicht mehr der Einnahmengarant, der es mal war. 

Die Flut neuer Musik

Nach Demo-CD kam SoundCloud kam Streaming-Playlist. Und jetzt? Über 100.000 (!) neue Songs werden weltweit täglich auf jedem der Streaming-Dienste veröffentlicht. Die Welle, die automatisch generierte Songs durch KI lostreten werden, wird diese Zahl noch einmal verzigfachen. 

Wie soll man da entdeckt werden, wie kann man unter diesen Umständen ein kleines oder großes Auskommen mit der Musik selbst erreichen, wenn es eben nicht um Tourneen geht? Zeit, sich mit Alternativen zu Spotify und Co. auseinanderzusetzen. 

Bandcamp bietet Bands abseits des Mainstreams viele Möglichkeiten

Bandcamp bietet Bands abseits des Mainstreams viele Möglichkeiten, © Screenshot Bandcamp

Bandcamp: Indie-Darling mit unsicherer Zukunft

Die erste Adresse für unabhängige Musik ist Bandcamp. Auf der Plattform tummeln sich tausende Bands und Künstler*innen aus den verrücktesten Genres. Musik kann man hier zum Verkauf anbieten. Das geht im digitalen Format (also MP3 oder WAV), physisch (Vinyl oder CD) oder auch im Stream. Auch Merchandise, also T-Shirts, Stoffbeutel oder andere Goodies, kann man direkt über Bandcamp anbieten. 

Dabei ist der Dienst äußerst transparent, was die Anteile betrifft, die man für das Bereitstellen der Plattform einbehält. Von jedem Verkauf behält Bandcamp 15 Prozent ein, ab 5.000 Dollar Umsatz 10 Prozent, bei Merch ist es sogar noch weniger. 

Dazu veranstaltet die Plattform in regelmäßigen Abständen den "Bandcamp-Friday". Hier verzichtet Bandcamp an einem Freitag auf seinen Anteil. Die Plattform hat sich in den letzten zehn Jahren zu DER Möglichkeit für unabhängige Bands etabliert, an ihrer Musik wieder etwas verdienen zu können. 

Vor- und Nachteile von Bandcamp

Im Vergleich zu Streaming gibt es hier allerdings auch einiges zu beachten. Denn bietet man Musik digital, als MP3 oder WAV, an, braucht es für die Dateien beim Käufer auch eine Möglichkeit, die abzuspielen, vor allem mobil. 

Was kurios klingt, ist leider Fakt: heutige Smartphones, vor allem die von Apple, machen es nicht eben leicht, Dateien zu importieren. Und MP3-Player wie den Apple iPod gibt es kaum noch. Will man die Musik einer Band auf Bandcamp lieber streamen, benötigt man die hauseigene App. Was wiederum, hört man auch Musik auf Spotify, das Ganze eher umständlich macht, denn nun hat man zwei Apps zum Musikhören.

Beispiel einer Bandwebsite auf Bandcamp

Beispiel einer Bandwebsite auf Bandcamp, © Bandcamp Screenshot

Bandwebsite auf Bandcamp

Ein weiterer Nachteil ist die ungewisse Zukunft von Bandcamp. Denn der Dienst wurde im März 2022 vom Videospiel-Riesen Epic Games aufgekauft, nur um keine 18 Monate später vom Digitalvertrieb SongTradr übernommen zu werden. 

Im Zuge der Übernahme durch SongTradr entließen die neuen Eigentümer prompt gut die Hälfte der Belegschaft. Das hat unter Bands und Künstler*innen auf Bandcamp nicht eben für Vertrauen in eine langfristige Strategie von Bandcamp gesorgt.

Der größte Vorteil von Bandcamp ist die direkte Verbindung zu Fans, ohne Label und Vertrieb. Damit erreicht man genug Menschen, um ein Vielfaches höhere Einnahmen zu erzielen.

Verbindet man also eine geschickte PR-Strategie auf den sozialen Medien mit Verlinkungen zu seinem Bandcamp-Store, kann sich hier eine echte Möglichkeit entwickeln, von der eigenen Musik zu leben und dabei unabhängig von DSPs zu bleiben.

Patreon – Fans abonnieren Bands

Von Patreon dürften einige schon gehört haben. Bei dem Dienst “abonniert” man quasi eine Band (oder einen sonstigen Kreativschaffenden), überweist einen monatlichen Betrag und bekommt dafür Inhalte wie Songs, Videos, Merch und vieles andere exklusiv. 

Auf der einen Seite steht die Möglichkeit, durch diesen festen monatlichen Betrag als Band oder Künstler*in auch dauerhaft sein Auskommen zu sichern. Dazu hat man über die Plattform viel direkteren Kontakt zu seinen Fans. Wöchentliche Livestreams, unveröffentlichte Songs und mehr können so eine engere Bindung erzeugen, als es über Social-Media-Kanäle möglich ist. 

Patreon erlaubt es Usern, Künstler mit einem monatlichen Abo zu unterstützen

Patreon erlaubt es Usern, Künstler mit einem monatlichen Abo zu unterstützen, © Screenshot Patreon

Auf der anderen Seite steht der Druck, jeden Monat etwas liefern zu müssen. Und der Fakt, dass es bei unbekannten Bands und Künstler*innen sehr schwierig ist, Menschen davon zu überzeugen, einen festen Monatsbeitrag zu überweisen. Daher wählen nicht wenige Bands diesen Weg erst, wenn sie eine gewisse Größe und Bekanntheit erreicht haben. 

Der Druck aber, jeden Monat "Content" liefern zu müssen, auch in Zeiten, in denen man vielleicht erst am nächsten Album schreibt, ist bei Patreon immer da. Das erfordert einiges an zusätzlicher Arbeit und Planung, um größere Mengen an Videos und anderen Inhalten vorproduzieren.

Patreon streicht je nach Modell zwischen 5 Prozent und 12 Prozent Anteil der monatlichen Einnahmen ein. 

SoundCloud – das schwarze Loch der Musik

SoundCloud hätte so viel Potenzial gehabt. Mitte des vorigen Jahrzehnts gab es kaum eine Plattform, die so wichtig war für neue Künstler*innen. Billie Eilish wurde hier entdeckt, Lil Nas X ebenso, sogar ein ganzes Genre (Cloudrap) entstand. 

Aber man hat in vielen Punkten aktuelle Entwicklungen verschlafen, nützliche Funktionen entfernt und nicht ganz so nützliche eingeführt, sodass nicht wenige User in den letzten Jahren der Audio-Streaming-Plattform den Rücken gekehrt haben. 

Trotz mancher Fehlentwicklungen bleibt SoundCloud eine wichtige Alternative

Trotz mancher Fehlentwicklungen bleibt SoundCloud eine wichtige Alternative, © Screenshot SoundCloud

Allerdings ist und bleibt Soundcloud immer noch DIE Audio-Plattform, wenn es um das unkomplizierte Hochladen und Verteilen von Musik geht. Es ist kein digitaler Vertrieb wie Distrokid oder Tunecore zwischengeschaltet, Künstler*innen haben die volle Kontrolle über Veröffentlichungszeitpunkte und Metadaten - und mittlerweile existiert mit Soundcloud Go+ auch eine Möglichkeit, die eigenen Tracks so zu streamen wie bei Spotify und Co. (check) und damit pro Stream Geld zu verdienen. 

Wo es bei Spotify, Apple Music und Co. gut 120 Millionen Tracks sind, sind wir allerdings bei SoundCloud schon bei 250 Millionen. Die Chance, auf Playlisten zu landen, die dann auch noch von vielen gehört werden, ist eher gering. Neben dem kostenlosen Modell bietet SoundCloud für User mit hohem Upload-Aufkommen auch ein kostenpflichtiges Abo für 8,25 Dollar im Monat an.

Eigene Website / Shop / Mailing List / Newsletter

Was vor ein paar Jahren noch vollkommen utopisch klang, hat Konjunktur. Wozu bei den Streaming-Diensten mitmachen, wenn ich mit geschickter Social Media Arbeit, samt Landing-Page, eigener Website mit Online-Shop und Newsletter sogar eine ganze Ecke weiterkommen könnte? Es vergeht kaum eine Woche, wo man es nicht aus irgendeiner Indie-Ecke unken hört: ein Band-Newsletter ist eine Goldgrube! 

Die Vorarbeit kann hier um einiges härter und langwieriger sein, aber schafft man es mit beharrlicher Öffentlichkeitsarbeit, geschickten Promo-Maßnahmen und natürlich der eigenen Musik zu einer gewissen Reichweite, kann diese Lösung die unabhängigste und mit dem größten finanziellen Potenzial sein. 

Um regelmäßigen Output, also einen wöchentlichen oder monatlichen Newsletter, immer neuen, kreativen Merch, Aktionen mit Fans und mehr, kommt man auch hier nicht herum. Andernfalls läuft man als Artist Gefahr, im digitalen Rauschen unterzugehen.

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