Fortlaufender Konflikt
Bundestagsdebatte zur EU-Urheberrechtsreform: Verstößt die Reform gegen Grundrechte?
© Norbert Bleck auf Flickr (https://flic.kr/p/HqmV1) / Lizenz: CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)
In der vom Bündnis 90/Die Grünen veranstalteten Debatte (hier gibt es die Videoaufzeichnung) skizzierten die geladenen Vertreterinnen und Vertreter aus der Kreativ-, Digital- und Musikwirtschaft die unterschiedlichen Konfliktlinien, die schon die Debatte auf europäischem Niveau bestimmten.
-> Hier findet ihr alle Hintergründe zur Debatte um die EU-Urheberrechtsreform.
Eindeutige Forderung
Die geladenen Kreativschaffenden und deren Vertreter, darunter u.a. der Komponist Matthias Hornschuh und Mark Chung, Leiter des Verbandes unabhängiger Musikunternehmer*innen e.V. (VUT), betonten ihren Wunsch, die Reform in Deutschland ohne Spezialklauseln umzusetzen, um so die faire und angemessene Vergütung Kreativschaffender sicherzustellen.
Um dies zu erreichen, sollen Plattformen, die ihren Nutzer/innen den Upload von Content ermöglichen, zukünftig als Medienunternehmen definiert werden und somit auch deren Pflichten – darunter insbesondere Lizenzierungspflichten – erfüllen müssen.
Und immer Artikel 17
Hinsichtlich der Notwendigkeit der korrekten und umfassenden Lizenzierung von hochgeladenem Material sind sich Kreative und deren Vertreter/innen sowie die die Digital-Plattformen – vertreten u.a. durch den Google-Sprecher Georg Nolte – grundsätzlich einig. Doch deren Umsetzung sorgt noch immer für Dissenz.
Insbesondere geht es hier um den umstrittenen Artikel 17 (vormals Artikel 13), der die Sorgfaltspflicht von Plattformbetreiber/innen regelt. Artikel 17 verlangt, dass urheberrechtlich geschütztes Material, für das die Platformbetreiber/innen keine Lizenz besitzen, gar nicht erst von deren Usern hochgeladen werden darf. Die Frage, wie diese Kontrolle effizient umgesetzt werden soll, erhitzte die Gemüter bereits im Zuge der EU-weiten Debatte.
Uploadfilter sorgen weiterhin für Probleme
So kritisierte die EU-Politikerin Julia Reda bereits damals, dass zur effizienten Umsetzung von Artikel 17 zwangsläufig Upload-Filter notwendig seien, da die Lizenzierung nur mit einer vollumfängliche Filterung im Vorfeld funktionieren könnte.
Im Rahmen der Debatte warf insbesondere der Komponist Hornschuh Reda vor, mit ihrem Verweis auf Uploadfilter die Debatte "versaut" zu haben und den Nutzen der Reform für Kreative eingeschränkt zu haben. Tatsächlich ist jedoch die Einhaltung von Artikel 17 ohne proaktive Filterung einer der technisch wohl schwierigsten Punkte der Reform.
Ist die Reform ungesetzlich?
In diesem Rahmen ist insbesondere auch ein Gutachten interessant (hier als PDF), dass die Grünen bei dem dem Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Gerald Spindler in Auftrag gegeben und im Bundestag vorgestellt haben: Dieser kommt zu dem Schluss, dass Kernbestandteile der EU-Richtlinie gegen das Europarecht verstoßen.
Spindler schreibt, dass die geforderte, proaktive Kontrolle nicht vereinbar sei mit dem vom europäischen Gerichtshof entwickelten Verbot einer aktiven Überwachungspflicht. Spindler schließt daraus, dass Artikel 17 nicht europarechtskonform ausgelegt werden könne – und das, obwohl die Richtlinie abseits der Hürden in ihrer Umsetzung durchaus den Künstlerinnen und Künstlern zu Gute käme.
Die EU-Reform muss bis spätestens Sommer 2021 in den Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt sein. Es bleib abzuwarten, ob und wie die Konflikte zwischen den Beteiligten tatsächlich gelöst werden können, und inwiefern Prof. Dr. Spindlers Gutachten den Prozess u.U. sogar beeinflusst.
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