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Fannähe und Authentizität

Das Future Music Camp 2024 liefert Tipps für erfolgreiches Marketing

Spezial/Schwerpunkt von Antonia Freienstein
veröffentlicht am 14.06.2024

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Das Future Music Camp 2024 liefert Tipps für erfolgreiches Marketing

FMC-Organisator David Stammer interviewt Lisa Ruetz beim Future Music Camp 2024. © Leah Piazza/60sechzig

In diesem Jahr hat sich das Future Music Camp der Popakademie Baden-Württemberg unter anderem mit der Zukunft des Marketings beschäftigt. Wie können Artists vorgehen, um ihre Fans zu erreichen, die Verbindungen zu diesen zu stärken und ihre Musik erfolgreich zu promoten? Wir haben einige Tipps zusammengetragen.

Zum Auftakt des Future Music Camps 2024 befasste sich die Berliner Managerin Lisa Ruetz unter dem Titel "Wieviel Offline braucht Online? - Über Storytelling und Dramaturgie im Musikmarketing" damit, wie eine erfolgreiche Marketingkampagne für kleinere bis mittlere Acts aussehen kann. Als Orientierungsbeispiel diente dabei ihre Zusammenarbeit mit der Künstlerin Paula Hartmann. 

Paula Hartmann war es bereits mit den Veröffentlichungen ihrer ersten Songs im Jahr 2021 gelungen, zahlreiche Fans für sich zu gewinnen. Ihr erstes Album trägt den Titel "Nie verliebt" und beinhaltet laut der Künstlerin "moderne Märchen aus der Großstadt".

Das im März 2024 erschienene Album "Kleine Feuer" kann, wie Ruetz erklärt, als direkte Weitererzählung von "Nie verliebt" verstanden werden. Die Managerin war dafür zuständig, die Kampagne zu entwickeln, mit der das neue Werk der Künstlerin bekannt gemacht werden sollte.

Tipps zur Herangehensweise an Kampagnen

Zu Beginn einer Kampagne sei es laut Ruetz zunächst wichtig, sich über folgende Punkte bewusst zu werden:

  • Wie sieht die Story aus?

  • Was soll der Fan fühlen? Was soll er selbst herausfinden?

  • Was bringt der Artist mit?

In Paula Hartmanns Fall strahlt "Kleine Feuer" eine deutlich düsterere Atmosphäre aus, als das noch bei "Nie verliebt" der Fall gewesen ist. Als Weitererzählung ihres Debüts, soll dem Ganzen dennoch der märchenhafte Charakter erhalten bleiben. Auch der Handlungsort - die Großstadt - bleibt gleich. 

Die Hörenden der neuen Titel sollen dabei zu stillen Beobachter*innen werden und von Paula Hartmann in ihre Welt eingeladen werden.

Vorlieben der Artists berücksichtigen

Ganz essentiell sei es zudem, sich am Anfang darüber bewusst zu werden, was man vermeiden möchte. Ruetz berichtet in diesem Zusammenhang davon, dass Paula Hartmann gerne analog arbeitet. Dagegen fühlt sie sich unwohl, ein Video aufzunehmen, in dem sie in ihre Handykamera zu ihren Fans spricht und es über die sozialen Medien zu teilen.

Ruetz betont, dass solche persönlichen Vorlieben berücksichtigt und ein Artist nicht zu etwas gedrängt werden sollte, nur weil sich eine Strategie bei anderen bewährt habe. Ansonsten laufe ein Künstler oder eine Künstlerin schnell Gefahr, nicht authentisch zu wirken.

Da “Kleine Feuer” auch etwas düsterer und ernster ausfällt, sei es Paula Hartmann und ihrem Team zudem wichtig gewesen, im Verlauf der Kampagne zunächst an keinen Comedy-Formaten teilzunehmen. Diese sollten ganz ans Ende gesetzt werden, wenn die Geschichte bereits fertig erzählt sei.

Storytelling - Anregungen zum Aufbau einer Kampagne

Tatsächlich hat sich Ruetz im Rahmen der Kampagne stark an der dramatischen Spannungskurve orientiert. Diese führt über Exposition, den ersten Wendepunkt, den Höhepunkt, den zweiten Wendepunkt schließlich zum Schluss.

Die Exposition stellt dabei den ersten Berührungspunkt dar, den die Hörer*innen mit dem neuen Werk haben. Pünktlich zu Beginn des Reeperbahn Festivals veröffentlichen Paula und ihr Team ohne vorherige Ankündigung die erste Single des neuen Albums - und das an einem Mittwochabend um 17 Uhr, nicht gerade ein üblicher Veröffentlichungszeitpunkt. 

Alle Videos, die Paula Hartmann in der Folgezeit veröffentlicht, spielen erkennbar in West-Berlin. Für den Zeitraum der Kampagne verlässt Paula Hartmann “ihre Stadt” auch nicht. Ein erstes Interview zum Album im Funkturm Berlin gibt Paula erst spät im Verlauf der Kampagne, womit diese ihren ersten Wendepunkt erreicht. 

Kurz darauf folgt dann mit dem Album-Release der Höhepunkt der Kampagne. Eine Schnitzeljagd führt Fans in einen eigens für diesen Anlass eingerichteten Pop Up Store. Dieser befindet sich im Europacenter in Charlottenburg, das Ruetz als tristen Ort und damit als passend zur düsteren Atmosphäre des Albums bezeichnet. 

Zeitgleich können Fans insgesamt 1000 Tickets für die Release-Show – dem Herzstück der Kampagne – gewinnen, die an der Berliner Gedächtniskirche stattfindet.

Kurz darauf geht Paula auf die "Kleine Feuer"-Tour, die den zweiten Wendepunkt darstellt. Dort performt sie auch einen weiteren neuen Track und gibt bekannt, dass dieser ab sofort auf allen Streaming-Diensten zu finden ist.

Das Zusammenspiel zwischen offline und online

Die ganze Kampagne für Paula Hartmanns neues Album lässt sich als sehr analog beschreiben. Das Ziel besteht darin, nicht zu viel bekannt zu geben und die Fans selbst auf Entdeckungsreise zu schicken. 

Doch während Paula und ihr Team vor allem offline agiert haben, blieb es auf Social Media nicht ruhig – die Inhalte werden dabei jedoch von einer anderen Instanz erstellt: den Fans. Paula Hartmann und ihr Team stellen dabei zum Großteil lediglich die impulsgebende Partei dar. 

Für die Kampagne wurde eigens ein SMS-Newsletter eingerichtet. Paula Hartmann nutzte das "alte Medium" SMS, um noch nahbarer erscheinen zu lassen, aber auch, um den Fans  weiteres Material zukommen zu lassen. So wurde etwa das "Liebe ist tot"-Musikvideo dort vor dem offiziellen Start geteilt, auch für die Release-Show konnten sich die in der SMS-Liste registrierten Fans früher Tickets sichern.

Insgesamt umfasste der SMS-Club nicht weniger als 5.200 Subscriber. Einige der über SMS-geteilten Inhalte wurden von den Fans über soziale Medien wie etwa TikTok weiter verbreitet. Auch zwei Songs, die lediglich als Hidden Tracks auf Vinyl veröffentlicht wurden, sorgten auf TikTok und Co. für Gesprächsstoff.

Gezielte Auswahl statt "alles mitnehmen, was geht"

Allgemein plädiert Ruetz dafür, dass sich Artists stets darüber bewusst werden sollten, was sie wirklich wollen und sich genau aussuchen sollten, auf was sie sich einlassen. Als Managerin sieht sie sich selbst mehr als Ideengeberin, die Vorschläge unterbreitet. Aber die entscheidende Instanz ist letztlich der Artist, da ansonsten droht, dass die Kampagne "gestaged" und unauthentisch wirkt. 

Dass genau dieser Punkt unabhängig von der Größe eines Acts gilt, macht Sammy Kaufmann von Linktree in ihrer Keynote deutlich. Künstlerinnen und Künstler sollten ihre Partnerschaften gezielt auswählen und sich auch nicht davor scheuen, Kritik zu äußern. 

Als Beispiel führt sie eine Kooperation zwischen Linktree und Billie Eilish an, in die sie selbst auch involviert war. Eilish sollte ihr eigenes Linktree-Design erhalten. Den ersten Entwurf empfand die Künstlerin jedoch nicht als stimmig, woraufhin dieser noch einmal überarbeitet wurde. 

Vorteile einer Online-Präsenz

Während Paula Hartmanns Kampagne eher offline stattgefunden hat, standen bei anderen Keynotes naturgemäß Online-Kampagnen im Mittelpunkt. 

So berichtet Maria Gironas in ihrem Vortrag "The Future of Marketing is Community Building"  davon, der durch sie gemanagten Jensen McRae von Anfang an zu einer aktiven Social Media Präsenz geraten zu haben und den Fokus dabei auf das Aufbauen einer Community zu legen. Von welchem Medium die bis dato noch eher unbekannte Künstlerin dabei Gebrauch machte, stellte Gironas McRae frei. 

Diese entschied sich schließlich für Twitter. Fortan postete die Künstlerin täglich einen Tweet und bemühte sich darum möglichst viel mit anderen Personen auf der Plattform in Austausch zu treten.

So hieß McRae etwa neue Fans stets per Direktnachricht willkommen. In diesem Zusammenhang konnte die Künstlerin zudem ein wenig Marktforschung betreiben, indem sie sich bei neuen Follower*innen erkundigte, wie diese auf ihren Account gestoßen waren. 

Am 21. Januar 2021 hatte McRae das Glück, dass einer ihrer Tweets viral ging und ihr somit zu einer weiten Reichweite verhalf. Die geschickte Nutzung von Social Media ermöglichte McRae somit, direkt mit ihren Fans in Austausch zu treten, eine tiefere Verbindung mit diesen aufzubauen und neue Menschen für sich begeistern zu können.

Durch verschiedene Tools lässt sich zudem anhand der Interaktionen von Artists mit ihren Fans auf Social Media feststellen, welche Zeiten sich besonders dazu eignen, mit diesen in Kontakt zu treten und wichtige Neuigkeiten zu teilen. 

Das regelmäßige Veröffentlichen von Beiträgen bezeichnet Jack Bridges von SoundCloud in seiner Keynote "A Fan-Powered Future" als “creating stickiness”. Auch er legt Artists ans Herz, mit Fans und anderen Creators durch Direktnachrichten in Kontakt zu treten. Auch AMAs (Ask me anything) seien eine Möglichkeit, sich nahbarer zu machen und mit anderen in Austausch zu treten. Andere Wege der Interaktion seien das Liken, Kommentieren und Reposten von Inhalten oder das Erstellen von Playlists. 

Tatsächlich sollen Artists, die mit ihren Fans auf SoundCloud in Austausch treten, dort laut Bridges im Durchschnitt 35 bis 40 Prozent mehr Streams generieren können.

Fragen, die es sich zu stellen lohnt

Abschließend noch eine kurze, zusammenfassende Übersicht von Fragen, die sich Artists bei der Ausarbeitung ihrer eigenen Marketingstrategien stellen können.

Zur Kampagne

  • Wie sieht die Story aus, die ich erzählen möchte? Welche Stimmung möchte ich vermitteln?

  • Was soll der Fan fühlen? Was selbst herausfinden?

  • Was bringe ich mit? Wo liegen meine Stärken? Was fühlt sich für mich unauthentisch oder nicht stimmig an?

  • Was möchte ich nicht? Welche Aussagen möchte ich vermeiden?

  • Wie lässt sich die dramatische Spannungskurve auf meine eigene Kampagne anwenden?

  • Wie können besonders treue Fans belohnt werden?

Zum Marketing auf Social Media

  • Auf welche Plattform möchte ich mich konzentrieren?

  • Wie kann ich die Kontaktdaten meiner Follower*innen und Fans erhalten?

  • Welche Plattform kann mir als zweiter Verteiler (für besonders involvierte Fans) dienen?

  • Wie kann ich auf möglichst vielfältige Art und Weise mit meinen Fans in Kontakt treten? Wie kann ich ihnen zeigen, dass ich sie wertschätze?

  • Was kann ich über meine Zielgruppe in Erfahrung bringen?

Zur Arbeit mit (potenziellen) Geschäftspartner*innen

  • Was weiß ich über die Werte, die der Partner vertritt? Stimmen diese mit meinen überein? 

  • Ist die Zusammenarbeit glaubwürdig und authentisch?

  • Wie hat die andere Partei vorige Kooperationen umgesetzt? Passt das Format der Zusammenarbeit in meine Kampagne?

 

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