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Am Schluss die Enttäuschung

LiveKomm: Neuer Entwurf der TA Lärm bringt kaum Verbesserungen für Musikclubs

News von Daniel Nagel
veröffentlicht am 18.06.2024

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LiveKomm: Neuer Entwurf der TA Lärm bringt kaum Verbesserungen für Musikclubs

© Chris Zhang via unsplash.com

Der vom Bundesumweltministerium vorgelegte Entwurf einer Lärmschutznovelle verfehlt nach Auffassung der LiveKomm das Ziel, Kultur zu schützen und moderne Stadtentwicklung zu fördern. Für bestehende Live-Musikstätten gebe es keine signifikanten Verbesserungen. Außerdem erhalte der Entwurf zusätzliche Hürden für Bauprojekte und komplizierte, praxisferne Regelungen.

Seit Jahren engagiert sich die LiveKomm, der Verband der Livemusik-Spielstätten in Deutschland, für eine Verbesserung der rechtlichen Situation von Clubs und anderen Musikspielstätten im Hinblick auf die von ihnen ausgehenden Schallimmissionen. 

Nach aktueller Rechtslade fallen von Clubs ausgehende Geräusche in die Kategorie "Gewerbelärm",, weshalb Clubs zum Lärmschutz nach dem sogenannten Verursacherprinzip verpflichtet sind. Das gilt auch dann, wenn der Lärm von an- oder abreisenden Besuchern verursacht wird.

Hoffnung auf neue TA Lärm

Von der Neugestaltung der Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm, kurz TA Lärm, durch das Bundesumweltministerium erhoffte sich die LiveKomm eine Verbesserung der rechtlichen Lage von Clubs.

Die Moderinisierung der TA Lärm soll die rechtlichen Rahmenbedingungen des Schallschutzes an die geänderten Lebensverhältnisse in den Innenstädten anpassen. Zielkonflikte zwischen Lärmschutz und heranrückender Wohnbebauung sollen aufgelöst werden, indem der kulturelle Bezug von Clubs und Livemusikspielstätten berücksichtigt wird.

Enttäuschender Entwurf

Diese Hoffnung hat sich nach aktuellem Stand zerschlagen, denn der Ende Mail vorlegte Entwurf des Bundesumweltministeriums bringt nur marginale Verbesserungen für Clubs und Musikspielstätten. 

Der Entwurf enthält den Vorschlag, dass in bestimmten Bereichen nachts höhere Lärmwerte gelten dürfen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Angesichts der damit verbundenen Bedingungen und Vorgaben ist nicht zu erwarten, dass diese Anhebung in der Praxis große Relevanz entfalten wird.

Christian Ordon, Geschäftsführer der LiveKomm sieht die Defizite des Entwurfs wie folgt:

"Bislang sind insbesondere keine substantiellen Verbesserungen für den Bestand von Kulturorten bei heranrückender Wohnbebauung vorgesehen, sondern lediglich bei Bauvorhaben, bei denen Bebauungspläne geändert werden müssen. Die meisten Bauprojekte finden jedoch nicht auf der Basis neuer Bebauungspläne statt, sondern auf der Basis bereits bestehenden Bauplanungsrechts oder gewachsener Strukturen ohne Bebauungsplan. Wenn dies so bliebe, wäre die neue Verordnung reine Symbolpolitik, die uns in diesem Fall leider nicht hilft."

Für viele Kulturschaffende wäre es enttäuschend, wenn diese Chance auf erleichternde Schall-Immissionsschutzregeln ungenutzt bliebe, kommentiert die Live Komm.

Experimentierklausel für 10 Jahre

Konkret sollen demzufolge die Immissionsrichtwerte nachts außerhalb von Gebäuden in urbanen Gebieten von 45 dB(A) auf 50 dB(A) angehoben werden und in Kern- und Mischgebieten auf 48 dB(A). In allgemeinen Wohngebieten sollen sie bei 43 dB(A) liegen. Die Regeln sollen im Rahmen einer Experimentierklausel zunächst bis Ende 2032 gelten.

Insbesondere in innerstädtischen Lagen seien diese Werte allerdings allein durch den Straßenlärm kaum erfüllbar, da der allgemeine Verkehr bereits oberhalb der nach TA-Lärm erlaubten Grenzwerte liege. Wenn noch Besucher auf der An- und Abreise hinzukommen, werden Veranstaltungen schnell rechtlich unmöglich.

Forderungen der LiveKomm

Aus diesen Gründen lehnt die LiveKomm den Entwurf zur Änderung der TA Lärm in dieser Form entschieden ab und nennt folgende Kritikpunkte:

  1. Eingeschränkter Anwendungsrahmen: Die Novelle soll nur für Bauvorhaben mit Bebauungsplan gelten. Die meisten Bauprojekte finden jedoch auf Basis bereits bestehenden Bauplanungsrechts oder gewachsener Strukturen ohne Bebauungsplan statt. Somit wäre der Anwendungsrahmen stark eingeschränkt, und für bestehende Musikspielstätten ergäben sich keinerlei Verbesserungen.
  2. Neue Hürden beim Bauen: Statt höhere Schalldämmungsmaße zu berücksichtigen, werden noch höhere Anforderungen wie der Einbau teurer Schallschutzfenster formuliert, auch für Räume, die nicht zum Schlafen genutzt werden.
  3. Keine Unterscheidung zwischen Kulturschall und Gewerbelärm: Um gesonderte Regelungen für Kulturschall zu ermöglichen, hat die LiveKomm einen Vorschlag für eine Kulturschallverordnung entwickelt, der seit September 2023 vorliegt.
  4. Anreiseproblematik: Verhaltenslärm der Besucher wird den Musikspielstätten zugerechnet. Dies sollte nur für Flächen gelten, in denen das Hausrecht umsetzbar ist.
  5. Impulshaltigkeit und Informationshaltigkeit: Bei dauerhaft betriebenen Musikspielstätten sollte nachgewiesen werden können, dass geeignete Schallschutzmaßnahmen getroffen wurden, um Dezibel-Zuschläge zu vermeiden.
  6. Anpassung der Immissionswerte: Die vorgeschlagene Anhebung der Dezibelgrenzen fällt zu gering aus. Sie sollten mindestens 55 dB(A) im urbanen Gebiet nachts betragen.
  7. Messpunkte: Schallmessungen sollten hinter geschlossenen Fenstern erfolgen und nur an Schlafzimmern als schutzwürdige Räume angelegt werden.
  8. Keine zeitliche Befristung der Experimentierklausel: Die Befristung der Geltungsdauer von 10 Jahren ist zu kurz. Bis messbare Ergebnisse vorliegen, wäre der Befristungszeitraum abgelaufen.
  9. Gültigkeit in weiteren Gebietskategorien: Die Neuregelung muss in allen Gebietskategorien Anwendung finden können, in denen Gewerbebetriebe und Kultureinrichtungen zulässig sind oder bestehen.
  10. Informationsfluss über heranrückende Wohnbebauung: Betreiber von Kulturstätten sollten über Baupläne informiert werden, um ihre Anliegen vorzutragen.
  11. Bundesschallschutzprogramm: Dieses sollte erweitert, ausgerollt und dauerhaft etabliert werden, um das Ruhebedürfnis der Anwohner und die Bedarfe der Musikspielstätten besser in Einklang zu bringen.

Zusammenfassend fordert die LiveKomm eine deutliche Anpassung des Entwurfs, um die Interessen der Kulturstätten und der Stadtentwicklung besser zu berücksichtigen.

Weitere Informationen finden sich in einer ausführlichen Stellungnahme der LiveKomm.

Unternehmen

Live Musik Kommission (LiveKomm)

Verband der Musikspielstätten in Deutschland e.V.

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