Clubsterben in Leipzig
Das Institut für Zukunft in Leipzig muss schließen – Verbände fordern Erhalt des Standorts für die Clubszene
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© Amelia Hallsworth via Pexels
Das Institut für Zukunft (IfZ), das kürzlich zehnjähriges Bestehen feierte, hatte wie alle Clubs stark mit der Corona-Pandemie zu kämpfen. Seit der Wiedereröffnung in 2022 konnte sich der auf Techno spezialisierte Club nicht wieder erholen.
Aufgrund der Inflation und steigender Kosten erhöhte das IfZ Eintrittspreise, was wiederum dazu führe, dass weniger neue Besucher kamen als erforderlich. Diese Situation sei sowohl in Sachsen als auch bundesweit in anderen Spielstätten zu beobachten. So haben in den letzten Jahren in Leipzig weitere Clubs wie So&So, das mjut, 4Rooms und die Distillery geschlossen.
Bundesweite Probleme
Das unterstreicht auch eine Studie des nordrhein-westfälischen Landesverbands LINA, denn der Umfrage nach haben 77 Prozent der Clubs mit finanziellen Problemen zu kämpfen und benötigen dringend Unterstützung.
Mehr als die Hälfte der Betreiber berichten von einem Rückgang der Besucher:innen um etwa 30 Prozent, was in Kombination mit der Vorbelastung durch Corona besonders schwerwiegend ist.
Besondere Stellung der Clubs
Die Live Initiative Sachsen äußert sich nun gemeinsam mit dem LiveKommbinat Leipzig in einer Pressemitteilung [Link zum PDF] und beklagt, die Schließung bedeute "einen weiteren großen Verlust für die sächsische und bundesweite Clubkultur", zumal Leipzig in jüngster Zeit auch andere Spielstätten verloren habe. Dennoch habe die sächsische Politik staatliche Hilfsmaßnahmen abgelehnt.
Es sei kein Geheimnis, dass Livemusikspielstätten und Clubs auch in der Vergangenheit aus betrieblichen Gründen hätten schließen müssten. Das liege aber nicht nur am eher volatilen Charakter der Livemusik-Szene.
Unersetzbare Verluste drohen
Der Unterschied zu anderen Unternehmen sei jedoch ihre "intrinsische Motivation, ein bezahlbares, progressives und kulturell wertvolles Programm anzubieten". Dafür nehmen die Veranstaltenden prekäre Arbeitsbedingungen, die Investition von Einnahmen und die Querfinanzierung von Veranstaltungen in Kauf.
Wenn diese Modelle versagten, seien negative Folgen unausweichlich.
"Wenn Betreiber:innen aber unter dem Renditedruck ersticken, kann es auch kein vielfältiges Programm geben, keine Exzellenz und keine Nachwuchsförderung; dann leiden Diversität, Inklusion und Awareness und nicht zuletzt die ohnehin gebeutelte Belegschaft. Ohne Subventionen, die diese Effekte abmildern, bleibt auf kurz oder lang die einzige Alternative, mit wehenden Fahnen unterzugehen."
Schwerwiegende Folgen für Kultur
Eine Clubschließung bringe immer die Gefahr mit sich, "dass der Standort für die kulturelle Nutzung unwiederbringlich verloren geht und somit der Möglichkeitsraum für Kultur innerhalb einer Stadt immer kleiner wird."
Der Wunsch eines neuen Käufers nach mehr Rendite führe dann schnell dazu, dass die Räumlichkeiten für kommerzielle oder Wohnzwecke genutzt werden oder im schlimmsten Fall leer stünden.
Unsichere Zukunft
Im Fall des Instituts für Zukunft sei aber noch nicht alles verloren, denn Eigentümer des Gebäudes ist die Stadt Leipzig. Beim Kauf des Gebäudes im Jahr 2021 war bereits geplant, daraus einen Ort für Kultur, Sport und Freizeit zu schaffen.
Dies mache Hoffnung darauf, dass die Räume auch künftig kulturell genutzt würden. Die Details seien aber noch ungeklärt, nicht einmal ein Nutzungskonzept liege vor. Daher gelte es, bald Klarheit zu schaffen, "um einer kulturellen Folgenutzung eine bezahlbare Perspektive zu geben".
Politische Relevanz
Clubs wie das Institut für Zukunft seien nicht nur wichtig für die Kultur, sondern böten auch Raum für politische Diskussionen und kollektivistische Ansätze. Dies sei vor allem in der aktuellen Lage wichtig:
"Es erfordert Mut und Kraft, sich als Club soziokulturell zu engagieren und an politischen Diskursen zu beteiligen und eben nicht nur für das blanke Vergnügen zu sorgen. Und es wird künftig noch mehr Mut und Kraft brauchen – das haben die Europa- und Kommunalwahlen sehr deutlich gemacht [...] Angesichts all dessen braucht es eine Szene, die sich konstruktiv-kritisch aber am Ende wohlwollend und solidarisch zeigt, anstatt sich in Flügelkämpfe verstricken und spalten zu lassen und einander mit Hass, Häme und Boykotten zu überziehen. Und es braucht endlich das entschlossene und gemeinsame Handeln aller demokratischen Parteien, um die sächsische Clubkultur im Bestand zu schützen."
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